Veranstaltung: | LDV am 17. Dezember 2022 in Mainz |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Solidarität in der Krise |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | Misbah Khan (KV Bad Dürkheim), Carl-Bernhard von Heusinger (KV Koblenz), Lea Heidbreder (KV Landau), Johannes Kobiela (KV Mainz), Pia Schellhammer (KV Mainz-Bingen), Katharina Binz (KV Mainz), Dr. Tobias Lindner (KV Germersheim), Janosch Littig (KV Mainz), Josef Winkler (KV Rhein-Lahn), Julian Joswig (KV Rhein-Hunsrück), Lea Siegfried (KV Kaiserslautern), Maurice Kuhn (KV Rhein-Pfalz), Marius Schlageter (KV Ludiwgshafen), Michael Lichter (KV Trier), Birgit Meyreis (KV Mayen-Koblenz);; |
Eingereicht: | 11.11.2022, 18:33 |
Krisenresilienz in Rheinland-Pfalz stärken: Kritische Infrastruktur und Bevölkerung nachhaltig schützen
Beschlusstext
Durch die Corona-Pandemie wurde der Fokus auch auf die Belastbarkeit und die
Vorsorge staatlicher Einrichtungen gerichtet. Zudem hat der Angriffskrieg
Russlands gegen die Ukraine auch uns in eine andere sicherheitspolitische Lage
gebracht und offenbart, dass wir vor bestimmten sicherheitspolitischen
Bedrohungen nicht ausreichend geschützt sind. Insbesondere im Bereich des
physischen Schutzes gibt es Nachholbedarf.
Straßen, Eisenbahnlinien, Wasserstraßen, Gas- und Elektrizitätsnetze,
Kommunikationsnetze oder Flughäfen, Gesundheitssystem mit Krankenhäusern, die
Polizei, das Rettungswesen und der Katastrophenschutz sowie unsere staatliche
Verwaltung sind wesentlich für unser Zusammenleben.
Unsere Gesellschaft ist auf eine krisenresiliente kritische Infrastruktur
(KRITIS) angewiesen. Eine sichere Energie- und Wasserversorgung, funktionierende
Mobilitätsangebote, zuverlässige Informations- und Kommunikationswege sowie der
Schutz von systemrelevanter Industrie liegen in unser aller Interesse.
Einen hundertprozentigen Schutz vor Gefahren wird es niemals geben. Wir
rheinland-pfälzischen GRÜNE setzen uns aber dafür ein, dass Strukturen
resilienter und widerstandsfähiger werden. Alle staatlichen Ebenen müssen aus
den Erfahrungen der letzten Monate und Jahre dazulernen, kritische Infrastruktur
neu denken und dabei ganzheitlich zu betrachten. Dafür muss identifiziert
werden, welche Bereiche wir in unserem Land besonders gegen Gefahren schützen
müssen.
Der Bund hat die Aufgabe, die gemeinsame Verantwortung, die Rechte und Pflichten
der staatlichen Akteure verbindlich zu regeln, um Handlungssicherheit zu
schaffen. Mit einem KRITIS-Dachgesetz auf Bundesebene müssen offene Fragen
schnell geklärt und somit Handlungs- und Definitionssicherheit geschaffen
werden. Darunter fallen auch eine Evaluation und Anpassung der aktuellen
Schwellenwerte, die festlegen, welche Strukturen ab welcher Größe zu schützen
sind, innerhalb der aktuellen KRITIS-Rechtsverordnung. Die Grenzwerte sind
häufig so hoch angesetzt, dass häufig besonders schützenswerte Infrastruktur
überhaupt nicht von den gesetzlichen Regelungen erfasst wird. Ein gutes Beispiel
ist der Schwellenwert in der Wasserversorgung. Aktuell sind Versorgungsbetriebe
erst ab 22 Millionen Kubikmeter verteilter Wassermenge pro Jahr als KRITIS
eingestuft. Das entspricht dem Versorgungsvolumen von rund 500.000 Menschen.
Daneben braucht es dringend eine regulative Basis für den physischen Schutz
Kritischer Infrastrukturen. Die jüngsten Angriffe auf Unterseekabel,
Energiepipelines oder das Netz der Deutschen Bahn verdeutlichen die physische
Bedrohungslage und den notwendigen Handlungsbedarf. Auf das KRITIS-Dachgesetz
aufbauend setzen wir uns dafür ein, dass auch auf Landes- und kommunaler Ebene
die ableitbaren Aufgaben umgesetzt werden.
Zukünftig ist ein besonderes Augenmerk auf die Verzahnung des physischen
Schutzes mit Sicherung unserer IT-Infrastruktur zu legen. Im Zuge der
Verwaltungsdigitalisierung wird Schritt für Schritt auch die IT-Sicherheit
ausgebaut. Mit dem Landesbetrieb Daten und Information (LDI) hat Rheinland-Pfalz
einen eigenen IT-Dienstleister, der bereits hohe Sicherheitsstandards einhält.
Darüber hinaus hält das Land ein Sicherheits- und Computer-Notfallteam bereit,
dass sogenannte Computer Emergency Response Team (CERT). Daher war und ist es
richtig, dass wir uns im Koalitionsvertrag auf Landesebene dafür eingesetzt
haben, dass der LDI als zentraler IT-Dienstleister des Landes weiterentwickelt
wird – beispielsweise durch den Aufbau eines mobilen Reaktionsteams, das bei
sicherheitsrelevanten Vorfällen in der Verwaltungs-IT unterstützt. Sowohl der
LDI als auch andere staatliche Stellen haben erhebliche Schwierigkeiten IT-
Fachkräfte zu finden und offene Stellen zu besetzen. Weitere Anstrengungen zur
Ausbildung und Anwerbungen von IT-Fachkräften sowie die Überarbeitung
bestehender Strukturen sind daher erforderlich, um die Kooperation mit externen
IT-Firmen zu reduzieren. Eigenes Know-how aufzubauen und zu stärken, spart nicht
nur Geld, sondern erleichtert auch die Einhaltung von Sicherheitsstandards.
Ferner ist es notwendig, die Kommunen beim Schutz von KRITIS zu unterstützen.
Die Landesregierung hat im Bereich der Cyberabwehr bereits einen ersten Schritt
getan und unterstützt insbesondere beim Schutz von Einrichtungen der
Daseinsfürsorge. Dafür wurde das Sicherheitsportal Cyberschutz Rheinland-Pfalz
eingerichtet, das Informationen zu Cyber-Angriffen und zu konkreten technischen
Absicherungsmöglichkeiten zum Schutz vor Cyber-Spionage und Cyber-Sabotage
bündelt und die Kommunen bei dieser Aufgabe unterstützt. Weitere Schritte müssen
folgen.
Lehren aus der Flutkatastrophe: Bevölkerungsschutz ausbauen
Die Flutkatastrophe 2021 hat uns auf schmerzlichste Art und Weise vor Augen
geführt, wie verletzlich unsere Gesellschaft ist. Auf Grundlage der Aufarbeitung
müssen daher die richtigen Schlüsse gezogen und konsequent umgesetzt werden.
Insbesondere im Katastrophenfall offenbaren sich im Zivil- und
Katastrophenschutz große Lücken, die schnellstmöglich zu schließen sind. Es ist
notwendig, dass – wenn möglich – KRITIS fernab von Gefahrenzonen errichtet
werden. Des Weiteren brauchen wir einen Maßnahmenplan, um kommunale
Verwaltungseinrichtungen resilient gegen Extremwetter und Naturgewalten
aufzustellen. Dabei ist es wichtig, nachhaltige und klimaangepasste Maßnahmen
als Teil der Krisenresilienz zu ergreifen. Falls es zum Ausfall einzelner
Einrichtungen kommt, darf die Gesamtinfrastruktur keinen Schaden nehmen. Daher
braucht es redundante Systeme, die insbesondere im Katastrophenfall
belastungsfähig sind.
Der Zwischenbericht der Enquete-Kommission gibt wichtige Hinweise, die bei der
Neuaufstellung des Katastrophenschutzes in Rheinland-Pfalz zu berücksichtigen
sind. Auch die Ankündigungen des Systemwandels im Katastrophenschutz hin zur
Verantwortung des Landes ist zu begrüßen.
Freiwilliges Engagement stärken
Den Kernbestandteil der allgemeinen nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr bilden in
unserem Bundesland die vielen ehrenamtlich Engagierten. Den freiwilligen
Feuerwehren, dem Technischen Hilfswerk und den Hilfsorganisationen kommt dabei
eine zentrale Rolle zu. Sie leisten täglich großartiges und retten
beispielsweise bei Verkehrsunfällen oder im abwehrenden Brandschutz
Menschenleben. Ihnen gilt unser Dank. In Krisenzeiten haben ihre Aufgaben eine
noch größere Bedeutung für unsere Gesellschaft. Allerdings ist es wichtig, dass
in Rheinland-Pfalz die obersten Katastrophenschutzebene in den Landkreisen und
kreisfreien Städten, die Brand- und Katastrophenschutzinspektoren, zukünftig
professionalisiert und besser ausstatten wird. Eine Professionalisierung gibt
dem Ehrenamt den Rückhalt, den es braucht. Gleichzeitig kann durch eine
Professionalisierung eine bessere Verzahnung des Katastrophenschutzes vor Ort,
aber auch überkommunal erreicht werden. Ein gut ausgestatteter
Bevölkerungsschutz ist eine Rückversicherung für den Fall der Fälle für die rund
vier Millionen Menschen in unserem Bundesland. Eine nachhaltige Stärkung dieser
Strukturen, wird auch über die aktuelle Krisensituation hinaus von großer
Bedeutung sein. Denn mit der Klimakatstrophe erwarten uns immer mehr
Großschadenslagen infolge von Naturkatastrophen und Extremwetterereignissen.
Eine der Lehren aus den Katastrophen der letzten Jahre ist, dass diese keinen
Halt vor Kommunen-, Länder- oder Bundesgrenzen machen. Auch Ressort- und
Zuständigkeitsgrenzen werden im Katastrophenfall überschritten. Wir brauchen
daher dringend eine bessere Verzahnung, ohne die neue Investitionen nicht die
gewünschten Wirkungen erzielen können. Die Zusammenarbeit zwischen unseren
Kommunen, Land und mit anderen Bundesländern ist dabei in den Vordergrund zu
stellen. Durch die geographische Lage von Rheinland-Pfalz ist eine gute
Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern in der Großregien ebenso elementar. In
diesem Sinne sind regelmäßige grenz- und ressortübergreifende Übungen für
Katastrophenlagen wichtig. Nur so können Fähigkeitslücken erkannt und abgebaut
werden.
Wir stellen fest, dass der Schutz von KRITIS erhebliche finanzielle Mittel
binden wird. Diese Investitionen werden uns aber für Bedrohungs- und
Gefahrenlagen wappnen und schaffen nebenbei auch zusätzliche Wertschöpfung vor
Ort. Seien es Warnmechanismen, Trinkwasserkapazitäten, Notstromversorgung,
spezielle Fahrzeuge und Hubschrauber oder eine bedarfsgerechte und zeitgemäße
IT-Sicherheit. All das schützt die Menschen in Rheinland-Pfalz, nicht nur in der
aktuellen Krisensituation, sondern auch vor den Gefahren durch Naturkatastrophen
und den Folgen der Klimakrise. Wir müssen nun aus den Katastrophen und
Bedrohungen der letzten Jahre die richtigen Schlüsse ziehen und handeln, um
unser Bundesland beim Schutz kritischer Infrastruktur und beim
Bevölkerungsschutz krisenresilient aufzustellen.