Veranstaltung: | LDV am 17. Dezember 2022 in Mainz |
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Tagesordnungspunkt: | 7. Anträge |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenversammlung |
Beschlossen am: | 17.12.2022 |
Eingereicht: | 18.12.2022, 15:37 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Erster Schritt zur Cannabis-Entkriminalisierung - Grenzwerte anpassen, statt Strafverfolgung fortzusetzen
Beschlusstext
Die aktuelle Prohibitionspolitik bei Cannabis ist nicht mehr zeitgemäß. Cannabis
ist die am häufigsten konsumierte illegale Droge. In Deutschland haben nach
Hochrechnungen in den vergangen 12 Monaten 4,5 Millionen Volljährige Cannabis
konsumiert (ESA 2021). Dass die Bundesregierung die regulierte Freigabe
voranbringt ist ein wichtiges Signal, auf dass wir GRÜNE seit langem
hingearbeitet haben.
Etwa zwei Drittel der volljährigen Konsument*innen praktiziert keinen riskanten
Gebrauch von Cannabis. Die geltende Rechtslage führt bei ihnen in der Konsequenz
zu einer unverhältnismäßigen Kriminalisierung. Damit geht eine enorme Belastung
für die Sicherheits- und Justizbehörden einher. Wichtige Ressourcen, die für die
Bekämpfung schwerer Straftaten notwendig sind, werden gebunden. Die Kosten
hierfür tragen alle Steuerzahler*innen.
Das aktuelle Vorhaben der Bundesregierung zur Cannabis-Regulierung zielt darauf
ab, die Produktion, die Lieferung und den Vertrieb von Genusscannabis innerhalb
eines lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmens zuzulassen. Demnach soll
zukünftig der Besitz von bis zu 30 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum straffrei
sein.
Bis die Regulierung auf Bundesebene kommt, wird vermutlich noch etwas Zeit
vergehen. Bis dahin geht die Kriminalisierung von Konsument*innen unbeirrt
weiter. Das können wir jedoch ändern. So heißt es in § 31a des
Betäubungsmittelgesetzes (BtMG): Die "Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung
absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, kein öffentliches
Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die Betäubungsmittel
lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt,
ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt."
Was eine "geringe Menge" ist, bei der die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen
eine*n Drogenkonsument*in einstellen sollte, liegt im Ermessen jeder einzelnen
Landesregierung beziehungsweise der jeweiligen Generalstaatsanwaltschaften. Seit
2012 liegt die Grenze in Rheinland-Pfalz hierfür bei bis zu 10 Gramm Haschisch
oder Marihuana (Rundschreiben des Ministeriums der Justiz und für
Verbraucherschutz vom 20. Januar 2012 (4061 – 4 – 30)).
In RLP gibt es weiterhin Strafverfahren, auch bei geringen Mengen. Es gibt sogar
Fälle, in denen Hausdurchsuchungen zum Auffinden einer geringen Menge führen und
im Anschluss in einem Strafverfahren Strafen verurteilt werden.
Je näher wir an die Legalisierung des Verkaufs, Erwerbs und Konsum von Cannabis
rücken, desto widersprüchlicher wird das Verhalten der Strafverfolgungsbehörden
und desto mehr führen die Ergebnisse der Strafverfolgung zu Ungerechtigkeiten.
Denn was in nächster Zeit entkriminalisiert wird, wird derzeit noch mit hohem
Verwaltungs- und gerichtlichem Aufwand verfolgt und bestraft.
Zwar sollen zukünftig Urteile und Verfolgungsmaßnahmen für die dann
legalisierten Besitzmengen getilgt werden. Nichtsdestotrotz führt jedes
Ermittlungs- und Strafverfahren, jede Verfahrenshandlung und jedes gesprochene
Urteil zu einer erheblichen psychischen und kostenmäßigen Belastung der
Verurteilten, die nicht durch Legalisierung "getilgt" werden kann.
Nach dem Bekanntwerden der Regulierungsvorhaben ist diese Grenze nicht mehr
zeitgemäß. Konsument*innen, Sicherheits- und Justizbehörden brauchen
nachvollziehbare Leitlinien, welche die Zeit bis zur bundesweiten Regulierung
überbrücken.
Daher fordern wir bereits jetzt, die deutliche Erweiterung der
Entkriminalisierung dadurch, dass Verfahren, die eine Cannabismenge von bis zu
30 Gramm betreffen, grundsätzlich eingestellt werden.
Darüber hinaus fordern wir die Landesregierung dazu auf, sich für eine Anpassung
des Verkehrsrechts einzusetzen und sich für eine Anhebung der THC-Grenzwerte im
Straßenverkehr auszusprechen. Unter Drogeneinfluß sollte nicht aktiv am
Straßenverkehr teilgenommen werden, daher sind Grenzwerte sinnvoll, jedoch ist
der aktuelle Grenzwert faktisch nicht nachvollziehbar. Es gilt, eine
vergleichbare Lösung zu den Promille-Grenzwerten zu finden.